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Theodor Körner

Harras, der kühne Springer

Noch harrte im heimlichen Dämmerlicht
Die Welt dem Morgen entgegen,
Noch erwachte die Erde vom Schlummer nicht;
Da begann sichs im Tale zu regen.
Und es klingt herauf wie Stimmengewirr,
Wie flüchtiger Hufschlag und Waffengeklirr,
Und tief aus dem Wald zum Gefechte
Sprengt ein Fähnlein gewappneter Knechte.

Und vorbei mit wildem Ruf fliegt der Troß,
Wie Brausen des Sturms und Gewitter,
Und voran auf feurig schnaubendem Roß
Fliegt Harras, der mutige Ritter.
Sie jagen, als gält es den Kampf um die Welt,
Auf heimlichen Wegen durch Flur und Feld,
Den Gegner noch heut zu erreichen
Und die feindliche Burg zu besteigen.

So stürmen sie fort in des Waldes Nacht
Durch den fröhlich aufglühenden Morgen;
Doch mit ihm ist auch das Verderben erwacht,
Es lauert nicht länger verborgen.
Denn plötzlich bricht aus dem Hinterhalt
Der Feind mit doppelt stärkrer Gewalt.
Der Kampf ist nicht zu vermeiden;
Die Schwerter entfliegen den Scheiden.

Wie der Wald dumpf donnernd wiederklingt
Von ihren gewaltigen Streichen!
Die Schwerter klirren, der Helmbusch winkt,
Und die schnaubenden Rosse steigen.
Aus tausend Wunden strömt schon das Blut;
Sie achtens nicht in des Kampfes Glut,
Und keiner will sich ergeben.
Denn Freiheit gilts oder Leben.

Doch dem Häuflein des Ritters wankt endlich die Kraft;
Der Übermacht muß es erliegen.
Das Schwert hat die meisten hinweggerafft;
Die Feinde, die mächtigen, siegen.
Unbezwingbar nur, eine Felsenburg,
Kämpft Harras noch und schlägt sich durch;
Zurück jagt der mutige Streiter.
Ihn verfolgen die feindlichen Reiter.

Doch flüchtig hat er des Weges nicht acht
Und verfehlt die kundigen Stege,
Jagt irrend umher in des Waldes Nacht,
Jagt irrend durch Flur und Gehege.
Er höret die Feinde hinter sich drein;
Da lenkt er tief in den Forst hinein,
Und zwischen den Zweigen wirds helle,
Und er sprengt zu der lichteren Stelle.

Hier steht er auf steiler Felsenwand,
Hört unten der Wogen Brausen;
Er steht an des Zschopautals schwindelndem Rand
Und blickt hinunter mit Grausen,
Und jenseits auf waldichten Bergeshöhn
Sieht er seine Feste schimmernd stehn;
Sie blickt ihm freundlich entgegen,
Und sein Herz pocht mit lauteren Schlägen.

Ihn ists, als wenns ihn hinüberrief;
Doch es fehlen ihm Schwingen und Flügel,
Und der Abgrund, wohl fünfzig Klafter tief,
Schreckt das Roß, und es schäumt in den Zügel;
Und schaudernd blickt er zur Tiefe hinab,
Und vor sich und hinter sich sieht er sein Grab;
Denn er hört, wie von allen Seiten
Ihn die feindlichen Scharen umreiten.

Jetzt sinnt er, ob Tod aus Feindes Hand,
Ob er Tod in den Wogen erwähle.
Dann sprengt er keck an des Felsen Rand
Und befiehlt dem Herrn seine Seele;
Und näher schon hört er der Feinde Troß.
Aber scheu vor dem Abgrund bäumt sich das Roß;
Doch er spornts, daß die Fersen bluten,
Und es setzt hinab in die Fluten.

Und der kühne, gräßliche Sprung gelingt;
Ihn beschützen höhre Gewalten.
Wenn auch das Roß zerschmettert versinkt,
Der Ritter ist wohl erhalten;
Er zerteilt die Wogen mit kräftiger Hand,
Und die Seinen stehn an des Ufers Rand
Und begrüßen freudig den Schwimmer
Gott verläßt den Mutigen nimmer.