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Rolf Schilling

Die Messingstadt

Für Ernst Jünger

Wir lasen auf den Tafeln der Kalifen:
Tritt ein und schweig - ich bin die Messingstadt.
Das Tiger-Band gezackter Hieroglyphen
Spricht: Was auf Erden weilt, was Flügel hat,
Kehrt lichtgestillt zurück in meine Tiefen:
Dschinn, Marduk, Seraphim, der Fahrten satt,
Vlies, Urne, Gral: die Asche aller Gestern
Bewahrt der Stein in seinen Schweige-Nestern.

Von jener Mauern schroffer Zinne schalle
Kein Echo, süßen Reimworts Widerpart,
Aus Himmeln, draus die Adler schwanden, falle
Kein Tropfen Taus, der Taxushag beharrt
In Trauer, Sphinx mit harrscher Wächterkralle
Schläft auf der Schwelle, die von Schwertern starrt,
Und nur der Glanz der Messing-Minarette
Spinnt Flöre Golds um Hain und Opferstätte.

Da dehnen sich, bewacht von Talismanen,
Die Felder Traums, im Alabaster-Schnee
Zerfallner Pavillons vergilben Fahnen,
Ein Schädel harrt im Staub, das er zerweh,
Und Lethe-Nektar, strömend blaue Bahnen,
Ist bittrer als das Blut der Aloe.
Nur du allein, Fragilster der Gefeiten,
Bist ausersehn, ins dunkle Reich zu schreiten.

Da locken Flure, Fluchten, Spiegel-Gänge,
Treppen ins Nirgends, Elfenbein zerspellt,
Ein blinder Falke heftet seine Fänge
Auf deinen Helm, du hörst im Traumgezelt
Nichts als der Lanzenottern feine Sänge,
Du siehst dich selbst im Purpur, der zerfällt
Und nichts beläßt als jene blinde Schwinge,
Die dich entrückt zum innersten der Ringe.

Ein jeder schlafe da mit Stab und Krone,
An Herzens Statt ein flammender Rubin,
Zartsamtne Flügler: Schmetterling und Drohne
Bewölken schwarz den Blüten-Baldachin,
So lies im Rauch des Hanfs, im Blau der Mohne
Die Botschaft: Alles ist uns nur verliehn
Für eines Atems Hauch: Im Fall der Stunde
Bleibt nur das Schwert und was es schlug: die Wunde.

Da kauern regungslos auf Bronze-Rossen
Entfleischte Reiter, Turmalin-verziert,
Im Gelb der Ampeln, Ambradurft-umflossen,
Ein Knaben-Leichnam, köstlich präpariert,
Als sei zerstörter Brünste Glut ergossen
Auf seine Stirn, die Traum um Traum gebiert:
So sucht ein Engel, jäh ins Nichts verwiesen,
Noch immer nach verlornen Paradiesen.

Er war der Golder deiner Arieltage,
Sein Aug dein Stern, sein Leib dein Honigstock,
Nun schattet Blut am weißen Saum der Sage,
Der Schnecke Spur auf seidenem Gelock,
Zu Häupten steht der Walter mit der Waage,
Und aus der Wolke stieß der Vogel Rock,
Daß er mit Schnabels diamantner Schneide
Verwester Schöne Herzgefild beweide.

Hier wird kein Reisiger den Bogen spannen,
Kein Seraph nackten Schwerts im Frühlicht stehn,
Kein Sindbad seiner Sehnsucht Boot bemannen,
Kein Morgenstern von West zum Aufgang gehen,
Die Schweiger all, die Blicke, die dich bannen,
Und was auch träumt im Dämmer der Moscheen:
Stier, Nimrod, Seraphim: Du spürst in allen
Nur eine Lust: in Hoheit zu verfallen.

Dir aber, Dunkelstem der Flügler-Gilde,
Wird alles Traumgold einmal noch zum Ring,
Dein Wehn befrei die Inneren Gefilde,
Den Sänger, dem du Atem gabst, beschwing
Mit Ost-Gekos, dem Abglanz aller Milde,
Daß er dein Wappen wähl: den Schmetterling,
Der tief im Purpur alter Dämmerungen
Die Flügel senkt, von Blütendurft bezwungen.

Ein Schatten seiner Weisheit, nicht in Worten
Und tiefer als der Tag, blieb uns gewährt:
Wenn dann der Falter goldene Cohorten
Auf deinen Wink, von spätem Glanz verklärt,
Zur Nacht sich sieghaft scheiden vom Verdorrten,
Besteigen wir das Magische Gefährt
Und fliehn, durch Marmorwand und Spiegel-Säle,
Der Flamme zu, die uns dem Traum vermähle.