Rolf Schilling
TigridiaFür Sylvia
Wenn die Tiger-Blume blüht, Steht der Sommer auf der Schneide Schwerts, daß er die Zeiten scheide, Aber immer kommt verfrüht, Wer sich anschickt zu erspähen, Wie, bewacht von Skarabäen, Drachenblut auf Gold zu säen Sich die Tigerin bemüht.
Gelbe Blätter, schlaff gekreppt, Säumen Schalen mit Gewürzen, Satten, die den Sinn bestürzen, Daß der schwebende Adept Tiefer sich in Purpur-Schlünde Senke, daß auf samtner Pfründe Blick und Flügel sich entzünde, Eh der Feuerstrom verebbt.
Ein fast fleischliches Gelüst Spricht aus ihrem Kelch, der offen, Wie vom Liebespfeil getroffen, Trägt das schwankende Gerüst Der entflammten Staubgefäße: Was die Drachenfrau vergäße, Wär dem Quester das gemäße Und dem Tiger, der sie küßt.
Purpur-Blick aus goldnem Schoß: Vor dem sanften Flammenwerfer Werden Fang und Kralle schärfer, Liegen alle Adern bloß, Eh der Wächter Schlaf-verhangen Aufsteht, unterm Schirm der Schlangen Blut und Opfer zu empfangen Für die Götter Mexikos.
Kaum begonnen, schon gebeugt, Sinken in der Abendkühle Häupter welk auf braune Pfühle, Doch ihr Zauber bleibt bezeugt, Wenn die Eintags-Blüherinnen Münder, die sie singen, minnen, Ewig wieder zu gewinnen Tiger-Purpur Gold-geäugt.
Wenn die Tiger-Blume blüht, Scheint der Schlangenring geschlossen, Scheint die Neige ausgegossen, Doch der Sonnen-Widder sprüht Weiter seine goldne Garbe, Daß der Stempel, daß die Narbe Leuchten in des Feuers Farbe, Bis des Tigers Grimm verglüht.
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