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Rolf Schilling

Vier Sonette

I
ZAHLEN-SONETT

Null: Schoß, Quell, Urnichts, goldnes Oster-O,
Eins: Flamme, Zepter, Liebespfeil, Narziß
Zwei: Schwingenpaar, Geweih, Licht, Finsternis,
Drei: Stirn-Aug, Sparren, Gott und Geist-Geloh.

Vier: Jahres-Ring, Kreuz, Raute, reines Dur,
Fünf: Mistel, Zeit-Vernichter: Keil, Fuß, Hand,
Sechs: Stern des Hirten, Wabe, Diamant,
Sieben: Strahlenhaus, das Phaeton befuhr.

Acht: Spinne, Sleipnir, Doppel-Blick der Zeit,
Neun: Krummstab, Schnecke, Blatt vom Asphodill,
Zehn: Blankvers, Spanne Lebens Lethe-her.

Elf: Yin und Yang, Torwächter Speer an Speer,
Zwölf: Mittag, Mittnacht, Schar, dem Gral geweiht,
Im Glanz des Zodiak dein Schild, Achill.



II
YPSILON-SONETT

Wenn Hyazinth im Schimmerer der Berylle
Krystallen sich erblickt, wächst der Polyp
Zur Hyder, daß die Pythische Sibylle
In Hieroglyphen sich und Hymnen üb.

Hyperborea grünt, es fügt der Skythe
Den Zweig zur Zwille: Hütet Yggdrasil
Walkyren androgyn, blüht aus der Mythe
Der Thyrsos wie aus Krypten das Reptil.

Syrinx ertönt im Rauschen der Charybden,
Der Python paart im innersten Ägypten
Des Goldes Glanz der Schwärze des Onyx.

Zypresse hüllt die Myrte, doch dem Mysten
Entbietet Sphinx im Spiegel amethysten
Asyl, bis der Olymp sinkt im Styx.



III
ECHSEN-SONETT

Steig in den Silber-Fluß und fang den Lachs,
Eh dich der Blick des Krokodils verhexe,
Goldkorn im Rachen der Smaragd-Eidechse
Zerschmelze wie im Kelch das Kerzenwachs.

Birg das Chamäleon im Rot des Phlox,
Bewirte den Waran mit jungen Dachsen
Und sieh die Schatten aus dem Styx erwachsen
Wie Schlangen-Häupter aus dem Blut des Bocks.

Der Typhon ficht mit Hermelin und Luchs,
Der Pterodaktylus erwebt sich flugs,
Aus Grüften wuchert phallisches Gewächs.

Vom Quell entwich die Natter mit der Nixe,
Und knirschend schreitet über Kruzifixe
Der Pontifex: Tyrannosaurus Rex.



IV
PILZ-SONETT

Die Lorchel ist ein Hirn in feuchter Blöße
Und wie die Schlangen des Laokoon,
Das Zepter Pans dringt in der Nymphen Schöße
Und sorgt, daß uns der sanfte Herbst besonn.

Des Panthers Pranke trifft wie Fechterstöße,
Seine Schatten leuchtet auf dem Acheron,
Wer je den Stolzen sah in seiner Größe,
Der schmäht den Tag und trägt den Traum davon.

Von Soma sprach der Falke dem Entflammten,
Lingzhi ist biegsam wie des Einhorns Horn,
Stark wie der Zauber, den der Geist begehrt,

Wenn, zart wie Federflaum, wie Falter samten,
Der Gott den Glanz von Blut und Mutterkorn
Ins Herz dir senkt und in die Stirn ein Schwert.