Rolf Schilling
TraumgängerEin dunkler Strom, der über Stufen rann, Und wie ein Wiegen hob es langsam an, Und wie ein Schatten aus dem Paradies Trat einer ein aus Nacht und Schlafes Bann.
Es war ein Knabe, der die Flöte blies, Er trug auf Schultern schmal das Purpur-Vlies, Und was er wirkte, was sein Wink beschwor, War Stolz und Traurigkeit und nichts als dies.
Wie Schlangen stand sein Sang vor deinem Ohr, Doch als die Lippe dann das Lied verlor, War Sanftheit bald in Wagemut verkehrt, Und Speere blitzten aus dem Rosenflor.
Ein Schein von Blut auf seinem Bronze-Schwert War dir Befehl zu folgen, und er lehrt: Wer so wie du den Wurf Apolls nicht scheut, Ist edlen Stamms und aller Weihen wert.
Sein Finger - war es gestern? War es heut? - Band Flechten aus Orakeln und Gekräut, So setz die Zeichen, Blut und Banner gib Dem Drifter, daß er deine Träume deut.
Ob er die Antwort in den Sand dir schrieb? Ob er dein Floß zu dunklen Ufern trieb? Und steht sein Licht noch über Tal und Teich, Wenn vom Gesagten kaum ein Hauch verblieb?
Hier sieh das Tor, hier endet sein Bereich, Und Flocken lösen sich und fallen weich Auf deine Stirn, verstoßen ins Gewog Von seinem Stab, dem deinen nicht mehr gleich.
Du weißt nicht, ob er lachte, ob er log, Ob er den Lorbeer dir zu Kronen bog, Nicht wer ihn ausgesandt noch wer er war, Nur daß er weilte und dann weiterzog.
Doch lag ein dunkler Glanz auf seinem Haar, Ein Widerschein von Größe und Gefahr, Und all dein Ruhm, novemberlich im Mai, Verweht vor ihm wie Asche vom Altar.
So schritt er leicht im Wind und ging vorbei, Du weißt, er liebt dich nicht, was immer sei, Und was auch wiederkehrt und was begann, Trägt ihn nicht her und gibt sein Bild nicht frei.
Nur dunkles Blut, das über Stufen rann, Und wie ein Wiegen hebt es manchmal an Und wird als Weinen laut und wächst zum Schrei Und stirbt in Schlafes Haft und Traumes Bann.
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