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Rolf Schilling

Hyperborea

I

Mai hat uns Tau gewährt,
November Schnee,
Ob, was nicht wiederkehrt,
Im Wort besteh?
Die deinen Wahn genährt
Mit Lust und Weh,
Sie stehn am Spätgefährt,
Und sprechen: Geh!
Von dunklem Traum beschwert,
Stichst du in See.



II

Entsteigst du dem Schoß der Mithräen,
Vom Blut noch des Stieres benetzt,
Beflügeln zwei Gold-Skarabäen
Dein Aug, das den Himmel abschätzt.

Verknüpfst du den Gipfel der Grotte,
Verklärst du die Schreie zum Sang,
Berufst du die Schar, die dem Gotte
Zur Herbstwacht befiedert entschwang.

Nicht allein die die Kralle dir schärfen,
Gehen dir nah, deinem Wahn parallel,
Auch die anderen, die dich verwerfen,
Gehorchen geheimem Befehl.

Nicht verlangt deine Stimme nach Worten,
Wo ein Blick, wo ein Zeichen genügt,
Der gemessene Schritt der Cohorten
Sei das Maß, dem dein Walten sich fügt.



III

Da du vom Quell in die Ebenen schrittest,
Waren dir Raben und Krähen genaht,
Flur, die du blühen sahst, Korn, das du schnittest,
Säume nicht länger den dunkelnden Pfad.

Worte, vertane, die dich nicht bedeuten,
Stimmen, verwundete, die du nicht heilst,
Wölfe, dir folgend in hungrigen Meuten,
Sind dein Geleit, da du sanglos enteilst.

Fittiche weisen dir, schweigendem Geher,
Masken aus Schnee, die der Frühwind zerbricht,
Unter dem Himmel der Hyperboreer
Treten die mächtigen Schatten ans Licht.



IV

Spann deine Segel ins Verweste,
Wenn auch der Schleier Traums zerreißt:
Dein Wink ist eines Ritters Geste,
Dein Geist ist eines Kriegers Geist.

Rufst du den Schwan, das er dich leite,
Bringt er sein Herz dir, Drifter, dar,
So bleibst du der im Fall Gefeite,
Dir selber Freistatt und Gefahr.

Nur einer - Blut sind seine Spuren -
Kürt blanker Klinge dich zur Braut
Und zeichnet magische Figuren
Auf deine bald schon welke Haut.

Nur einer, der dir nie begegnet,
Wird wachen, wo dich niemand kennt:
Er ist die Schlange, die dich segnet,
Und ist der Blitz, der dich verbrennt.



V

Sprich, Schatzhüter Greif:
Siegt Gold über Grauen?
Rührt nächtige Auen
Von Holdem ein Streif?

Sag, Schweiger im Schacht:
Den Schatten im Klange,
Das Siegel der Schlange -
Wer hält es in Acht?

Du bleibst, vor es tagt,
Der Zeichen-Verzückte,
Der Flügel-Bestückte,
Von Geren umragt.

Wird, Wahrer des Banns,
Dich Traum auch beschweren,
Wird Flamme dich sehren -
Du waltest im Glanz.

Wird Blut, das verrollt,
Den Fittich dir streifen,
Du wirst es ergreifen
Mit Klauen von Gold.

Nicht fährt, vor es tagt,
Dein Schatten vom Hügel,
Doch über der Tiefe
Wacht samten dein Flügel
Und, wenn er entschliefe,
Dein Aug von Smaragd.



VI

Geh zu den Hyperboreern,
Jenseits von Wasser und Land
Hebt sich, von Sängern und Sehern
Dunkel aus Träumen bekannt,
Halle, von Harfen durchtönte,
Schlafender Ritter Castell,
Labt sich Hirsch der Grkrönte
Am elysäischen Quell.

Wenn dich die Wasser umfangen,
Wenn dir die Küste verschwimmt,
Bleibst du, von Schleiern verhangen,
Lichtem Ziele bestimmt,
Fährst du fernhin durch hohe
Abende, sonnig und klar,
Stehn die Schatten in Lohe
Unterm Wind der Gefahr.

Lecken salzige Wogen
Deinen befiederten Fuß,
Salbt der Gott mit dem Bogen
Deine Stirne mit Ruß,
Er, der die Düsternis lichtet,
Er, der die Sphären umfaßt,
Hat schon die Tafel gerichtet
Dir seinem spätesten Gast.

Tönt aus balsamischer Grotte
Leise der Holder Geharf,
Löst sich vom träumenden Gotte,
Was er einst spielend entwarf,
Schwirren goldene Bienen
Flüsternd zum Honig-Hort,
Weilst du blind unter ihnen,
Ohne Wink, ohne Wort.

Kommen die Schwäne gezogen,
Die dir der Lichte verhieß,
Trenn dich von Brünne und Bogen,
Ritter vom Goldenen Vlies,
Dunkel sind deine Farben,
Aber dein Auge ist blau,
Schenkst du, Schnitter, die Garben,
Schlägst du, Adler, den Pfau.

Geh zu den Hyperboreern,
Drifter im Nachen Apolls,
Kehr, wenn die Nebel sich nähern,
Heim an die Schwelle des Golds,
Weinlaub auf dämmernden Schläfen,
Asche von Eden bestaubts,
Heil aus den brennenden Häfen
Fahren wir, heiteren Haupts.



VII

Tritt ein ins Haus des Wassermanns,
Lösch deine Glut im Firn,
Von weißen Schwingen dunkler Glanz
Senkt sich auf deine Stirn.

Laß, was du wobst und was du wägst,
Dem kühlen Souverän,
Er wird die Wolfshaut, die du trägst,
Mit Sternen übersän.

Der Pfeil, der auf dein Herz gezielt,
Schwebt über deinem Haar,
Dem Drachen, der die Harfe spielt,
Reichst du den Becher dar.