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Rolf Schilling

Requiem
für ein ungeborenes Kind

I

Du, falterzart,
Aus Augenblau
Erwacht, gepaart
Dem ersten Tau,
Kamst du daher,
Ein Lied, verhallt
Im Nimmermehr,
Noch ungelallt.

Du, nicht gezeugt
Für Heut und Hier,
Was dich umschweigt,
Gehört nur dir,
Dein Morgenflug
Von Pol zu Pol
Kennt kein Genug
Und kein Fahrwohl.

Dich, ungeliebt,
Wird niemand sehn,
Der Kunde gibt
Von deinem Gehen,
Die Hüter-Hand,
Die dich verletzt,
Hält dich verbannt
Aus jedem Jetzt.

Wo, was verfloß
Ins Kommen führt,
Ein Albatros
Die Flügel rührt,
Trägst du, allein
Mit Wind und Stern,
Dein Draußensein,
Dein Allem-fern.

Du, falterzart,
Zum Schlaf erwacht,
Du bleibst bewahrt
- In wessen Acht?
Im Niemandslicht
Die Schere blinkt,
Eh dein Gesicht
In Blut versinkt.

Im Trauerblau
Ein Traum, geköpft,
Hand, die den Tau
Der Augen schöpft:
Dies ist der Hirt,
Vor seinem Speer
Sank, was dir wird,
Ins Nimmermehr.

Sein Odem blies
Die Himmel klar,
Vom Nachtsaum stieß
Die weiße Schar,
Wo Stier und Schwan
Als Opfer qualmt,
Der Flügel-Clan,
Der dich zermalmt.



II

Du, ungeboren,
Du, lange tot,
Du, kaum beschworen,
Zu Traum verloht:
Wer schnitt die Flügel
Von deinem Fuß?
Wer schloß die Siegel
Für Ruf und Kuß?

Du, nie begonnen,
In Nacht zurück,
Ein Reif, zerronnen:
Vor ihrem Blick
Stehn wir geblendet,
Ihr Wiegen-Wind
Schirmt nur, was endet,
Nicht, was beginnt.

Du, vor Erkennen
Und Wahn gefeit:
Wo wir verbrennen,
Bist du der Scheit,
In allen Taten,
Gesang, Gedicht
Bist du der Atem,
Die Flamme licht.

Auf Schild und Wappen
Verblühte Spur,
Zwei Schwerter kappen
Die Bogenschnur:
Wer schliff die Sporen?
Weß Zorn bedroht
Dich, ungeboren,
Dich, lang verloht?

Aar, der die Ringe
Des Lichts zerstieß,
Hebt seine Schwinge
Vom Wolkenvlies,
Die Wege weisend
Zu dunkler Hut,
Die Himmel speisend
Von deinem Blut.

Aus keinem Schoße
Wird je dir Welt,
Bleibst du ins große
Verwehn gestellt,
Dem eignen Wähnen
So treu geeint,
Wo nur mein Sehnen
Noch wacht und weint.