Oda Schaefer
Die SeherinWo des Schierlings weiße Kronen, Giftgesalbte ohne Zucht, Wuchernd herrschen gleich den Drohnen Auf dem Boden fremder Frucht,
Steht die Seherin im schwanken Irren Licht der Nebelzeit, Festgehalten von den Ranken, Von dem Dorn der Ewigkeit.
Noch lebt sie in Finsternissen Mit verdorrtem, taubem Mund, Fiebernd, wie nach Otterbissen, Glüht das Auge hell und wund.
Ringsum schweigen Wald und Gräber. Starre Eichen ragen stumm. Im Moraste wühlt der Eber, Geht des Elchs Gehörne um.
Wolfsbrut schläft im tiefen Schatten, Und es schreit der schwarze Schwan, Unten kreisen Wasserratten, Oben zieht des Adlers Bahn.
Da von ferne tönt das hohe Horn der Windsbraut, kläfft ihr Hund, Welkes Laub, die gelbe Lohe, Züngelt auf dem Modergrund.
Mit geschärften Sinnen wittert Jäh erwacht die Seherin, Wie die Füchsin jagdlich zittert Auf der frischen Fährte hin
Nimmt sie in dem starken Rufe Die verlornen Spuren wahr, Riesenschritte, harte Hufe, Totentroß und Rabenpaar.
Und das alte, runde Zeichen Brennt sie mit dem Feuermal, Donnernd rollen Räderspeichen Aus der Götter reichem Saal.
Dem Gehör, dem blinden Sehen Liegt der Ursprung jetzt entblößt, Wo der Erde schnelles Drehen Keim und Zelle aus sich stößt.
Schwindel packt, als wenn sie schwimme, Sie gleich dunklem Holz im Strom, Vor dem Schwellen ihrer Stimme Flieht ins Erz der feige Gnom,
Stockt der Bärin Schlag und Tatze, Hält der Hirsch im edlen Sprung, Und der Alben graue Fratze Lächelt wieder schön und jung.
Schwer, so klirrt im Reim die Sprache, Hartgepanzert lebt das Wort, Senkt die Sage in das Brache, Späten Völkern goldner Hort.
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