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Algernon Charles Swinburne

Der Sonnentau

Ein Heidepflänzchen, gelb und grün,
Mit Lippen, drin die Flamme loht,
Gib acht, geh leis, dein Tritt bedoht,
Sonst Blumen, die dem Sumpf entblühn,
Und auch dies Haupt von zartem Rot.

Ob es lebendig sei – wer weiß?
Der Sommer sehrts mit seiner Glut,
Doch dichtes Moos hüllt süß und gut
Den Sproß und gibt im kühlen Kreis
Ihm vor der Juni-Hitze Hut.

Der tiefe Duft von Heidekraut
Brennt ihn, so steht er atemlos,
Knie hin und bete: was bleibt groß
Vor diesem Aug, das uns erschaut
Und auferstand aus grünem Schoß?

Wir sind der Erde fern, versucht
Von Wünschen, von Erinnerung,
Sie sehen die Mutter ewig jung,
Sie blühn, eh Sommers erste Frucht
Zu Boden fällt mit jähem Schwung.

Wind wehrt und bleicht das starke Gras,
Das zartem Blüher Obdach beut
Vor Tannenzapfen, Sumpfgekräut,
Pfad, den der Auerhahn bemaß,
Und weilder Weizen liegt verstreut.

Du nennst ihn Sonnentau: er blüht,
Ob Feuer-Odem ihn durchloht,
Ob ihm das Leben hold sei, Tod
Ihm Pein bereite – niemand sieht,
Was ihn beglückt, was ihn bedroht.

Mein Sonnentau, Kind froher Zeit,
Erwacht, als Frühling kaum begann,
April war, der so rasch verrann,
In dein Geheimnis eingeweiht,
Bis Mai der Sonne dich gewann.

Dein Mund berührt mit rotem Hauch
Mein Herz, das ein Geheimnis hegt:
Der Name, den die Liebe trägt,
Du kennst ihn und ihr Antlitz auch,
Das mein Entzücken stets erregt.

Die scharfe Sonne, die dich sehrt
Und trübem Wasser Farben schenkt,
Hat über euch das End verhängt:
Es war der hohen Glut nicht wert
Dein Herz, das ihrer nicht gedenkt.

(deutsch von Rolf Schilling)